News vom: 22.02.2004, 18:43 Uhr
Ein Artikel von
Rechtsanwalt Dr. Bahr
Der Sachverhalt:
Herr A benutzt den selbst erdachten Begriff X über Jahre hinweg. Aufgrund
des großen Erfolges des angebotenen Produktes oder der angebotenen
Dienstleistung erlangt der Begriff X überragende Verkehrsgeltung, sowohl
national als auch international.
In diesem Moment taucht Herr B auf, der cleverer Geschäftsmann ist. Herr B
stellt fest, dass der Begriff X noch nicht als Marke eingetragen ist und
holt dies schnell nach. Freilich auf seinen eigenen Namen.
Denn Herr B will seine eigenen Produkte bzw. Dienstleistungen verkaufen und
da ist ihm die Verwendung des allseits bekannten Begriffes X mehr als
willkommen, denn damit lässt sich außerordentlich gut Werbung machen.
Seine erste Handlung ist es, zunächst den Inhaber der Domain begriff-x.de,
Herrn A, abzumahnen und von ihm Übertragung bzw. Löschung der Domain zu
verlangen. Herr A ist darüber sehr verwundert, benutzt er den Begriff X doch
schon lange bevor Herr B überhaupt diesen Begriff kannte. Auch die
betreffende Domain betreibt er seit Jahren, lange bevor Herr B auf seinen
cleveren Gedanken gekommen ist.
Anmerkung:
So oder in ähnlicher Weise verlaufen inzwischen eine Vielzahl von
Auseinandersetzungen um Markenrechte im Internet. Auch im vorliegenden
eMule-Fall, der von der Kanzlei Heyms & Dr. Bahr betreut wird. Nähere
Informationen und Hintergründe unter
http://www.freemule.net.
Dabei ist das ganze Problem kein neues, sondern die gesamte Problematik ist
hinlänglich bekannt - und hinlänglich ungelöst. Der Autor dieser Zeilen hat
u.a. über dieses Thema im Jahre 2002 promoviert
(Download der Promotion hier).
Dazu folgender Auszug (S.232ff.):
Marken-Grabbing
a) Problemkreis
"Eine weitere internetspezifische Besonderheit betrifft die
angemeldeten Marken. Es handelt sich dabei in fast allen Fällen
um Allgemeinbegriffe aus dem Internet. Die Begriffe „Webspace“,
„Site Promotion“, „Electronic Commerce“ und „MP3“ waren schon
lange vor ihrer Markeneintragung häufig benutzte Begriffe.
Im Internet ist es inzwischen weit verbreitet, ein betreffendes
Wort oder Zeichen als Marke schützen zu lassen. Das
Online-Formular „Markenanmeldung“ des DPMA wird täglich knapp
zweihundert Mal aufgerufen, das macht 72.000 Zugriffe in einem
Jahr. In den Jahren 1998 bis 2000 sind die Neuanmeldungen in den
für die Online-Branche relevanten Klassen stark angestiegen. So
hat sich die Anmeldung von Markennamen inländischer Herkunft
allein von 1998 auf 1999 um 13,1% erhöht. Das DPMA spricht in
diesem Zusammenhang von „Rekord- Zahlen“. Den Zuwachs im
Online-Bereich führt es vor allem auf die verstärkte Nutzung und
Bedeutung des Internet zurück.
Der Präsident des DPMA, Landfernmann, äußerte sich im
März 2001 dazu wie folgt:
„Das DPMA beobachtet nicht ohne Sorge, dass
oftmals Marken nur zu dem Zweck angemeldet werden,
andere, die eine identische oder ähnliche
Kennzeichnung benutzen, unter Druck zu setzen (...).
(...) in derartigen Fälle könne beim DPMA ein Antrag
auf Löschung der Marke wegen sogenannter
Bösgläubigkeit gestellt werden. Die Zahl der
Löschungsanträge wegen Bösgläubigkeit nimmt stetig
zu (...). Im vergangenen Jahr wurde in 30% der Fälle
die Marke wegen Bösgläubigkeit gelöscht. Weitere 30%
der Verfahren endeten durch Vergleich vor dem DPMA
und weitere 10% der Anträge wurden (...)
zurückgezogen. Nur 30% der Löschungsanträge (...)
wurden (...) zurückgewiesen.“ |
Inzwischen hat sich für diese Problematik ein neuer Begriff
entwickelt: Marken- Grabbing. Darunter ist die Strategie zu
verstehen, Allgemeinbegriffe oder häufig verwendete Worte aus
dem Bereich des Internet als Marke eintragen zu lassen, um dann
denjenigen, der die eingetragene Marke - oft in Unkenntnis -
verwendet, abzumahnen. Die Bezeichnung Marken-Grabbing ist
angelehnt an den schon bekannten Begriff des Domain-Grabbings.
Unter Domain-Grabbing wird die Vorgehensweise verstanden, sich
einen Domain-Namen registrieren zu lassen, der einen bekannten
Namen beinhaltet, um dann dem Namensinhaber gegen einen hohen
Preis den Verkauf anzubieten.
b) Reaktion der Politik
Auch die Politik ist inzwischen auf dieses Problem aufmerksam
geworden. So spricht sich der Medienbeauftragte der
SPD-Bundestagsfraktion, Jörg Tauss, für eine Novellierung des
Markenrechts im Bereich des Internet aus. Tauss weist darauf
hin, dass seit einiger Zeit die Rechtsunsicherheit, die im
Online-Bereich existiert, immer häufiger Gegenstand von
Auseinandersetzungen und Gerichtsverfahren ist, deren sachliche
Notwendigkeit sich auch Juristen kaum noch erschließt und die
vor allem kleinen und mittleren Unternehmen schadet.
Gerade im Fall „Webspace“ und ähnlich gelagerten Fällen, so
Tauss, diene sowohl die Eintragung der Marke als auch das Mittel
der Rechtsverfolgung durch anwaltliche Abmahnung weniger der
Verteidigung berechtigter Interessen des Markeninhabers, als
vielmehr der Generierung von Gebührenansprüchen der beteiligten
Rechtsanwälte.
Beabsichtigt ist, dass schon bei der Eintragung Konflikte
erkannt und beseitigt werden. Auch sollen Marken-Grabber nicht
nur mit der Löschung der Marke, sondern zudem mit erheblichen
Geldstrafen rechnen müssen.
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Auch der aktuelle eMule-Fall ist - wie so viele andere vor ihm - ein klarer
Fall des Markengrabbings.
Die Schwierigkeiten manifestieren sich in zwei Kern-Problemen:
Erstens in der formal starken Position des Markeninhabers.
Im Rahmen einer allgemeinen gerichtlichen Auseinandersetzung findet
grundsätzlich keine Prüfung statt, ob die eingetragene Marke überhaupt
eintragungsfähig war. Dies kann allein im Löschungsverfahren festgestellt
werden. Das Gericht ist somit an die formale Markeneintragung gebunden,
selbst wenn die Eintragungsunfähigkeit offensichtlich ist. Zu welchen
Konsequenzen dies führen kann, zeigt z.B. das Urteil des LG Bochum (NJW-CoR
2000, 47) im Fall des "Webspace". Das LG Bochum betonte in der mündlichen
Verhandlung, dass es die Marke „Webspace“ für nicht eintragungsfähig halte,
es jedoch entgegen seiner eigenen Auffassung anders urteilen müsse, da es an
die formale Eintragung ins Markenregister gebunden sei.
Zweitens ist nach ständiger Rechtsprechung der Abmahner
einer unberechtigten Abmahnung grundsätzlich nicht schadensersatzpflichtig,
sondern geniesst gewisse Privilegien (vgl. dazu grundlegend:
RA Dr. Bahr "Ansprüche des Abgemahnten bei unberechtigten
Wettbewerbs-Abmahnungen").
Eigentlich genießt ein Abmahner aus einem Markenrecht nicht diese
Privilegien, dies ist jedoch pure juristische Theorie. Die Praxis sieht ganz
anders aus, auch bei unberechtigten Markenabmahnungen ist ein
Schadensersatzanspruch so gut wie ausgeschlossen. Dies hat erst kürzlich das
LG Düsseldorf bestätigt, das eine Schadensersatz-Klage wegen einer
unberechtigten Abmahnung im "Webspace"-Fall ablehnte, weil selbst bei
Anhängigkeit einer Löschungsklage der Markeninhaber weiterhin bei seinen
Abmahnungen in gutem Glauben handle. Vgl. dazu ausführlich den Aufsatz von
RA Dr. Bahr: Neues vom "Webspace"-Fall.
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